Niedersachsens Landesregierung fordert ein schärferes Waffenrecht

Pro Faeser – contra Fakten!

In einem offiziellen Antrag möchte das Land Niedersachsen eine Entschließung des Bundesrates mit dem Titel „Messerkriminalität wirksam bekämpfen und Novelle des Waffenrechts zügig voranbringen“ herbeiführen.

Mit dem Entschließungsantrag im Bundesrat leistet Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) fragwürdige „Anti-Schützenhilfe“ für ihre Parteikollegin Nancy Faeser (Quelle: Imago)

Bei den konkreten Inhalten des Entschließungsantrags wird allerdings deutlich, dass – analog zum Grundantritt des BMI – keine wirklichen und sinnvollen Verbesserungen für innere und öffentliche Sicherheit propagiert werden, sondern lediglich Nancy Faesers Positionen noch einmal als der „alte“ oder in diesem Fall der „saure Wein in neuen Schläuchen“ verkauft werden sollen. Doch das Rezept aus Hannover ist in mehrfacher Weise toxisch. Nicht nur werden Fakten ignoriert oder gezielt verkürzt – nein, sogar den Ampel-Koalitionsvertrag scheint man im Ministerium von Daniela Behrens (SPD) entweder nicht zu kennen, nicht zu verstehen oder – noch schlimmer – nicht zu respektieren. So behaupten die Autoren des Antrags, dass dort die Einführung eines kleinen Waffenscheins für den Erwerb und Besitz von Armbrüsten beschlossen worden wäre. Dies ist schlicht falsch, denn im Koalitionsvertrag steht auf Seite 86 wörtlich:

„Waffenrecht, Sicherheitsdienste

Die weit überwiegende Zahl der Waffenbesitzerinnen und -besitzer ist rechtstreu. Terroristen und Terroristen sowie Extremistinnen und Extremisten gilt es, konsequent zu entwaffnen. Wir evaluieren die Waffenrechtsänderungen der vergangenen Jahre und gestalten bestehende Kontrollmöglichkeiten gemeinsam mit den Schützen- und Jagdverbänden sowie mit den Ländern effektiver aus. Zudem verbessern wir die kriminalstatistische Erfassung von Straftaten mit Schusswaffen sowie den Informationsfluss zwischen den Behörden. Bei Gegenständen, für die ein Kleiner Waffenschein erforderlich ist, soll dieser künftig auch beim Erwerb vorgelegt werden müssen.
Private Sicherheitsdienste werden wir mit verbindlichen Standards in einem eigenen Gesetz regulieren.“

Für ein derart exponiertes Prozedere unserer parlamentarischen Demokratie ist es in höchstem Maße befremdlich, dass ein Antragsteller die Inhalte eines so grundlegenden Dokuments in grob fahrlässiger Weise ignoriert. Doch auch bei den anderen genannten und geforderten Punkten machen sich die niedersächsischen Autoren nicht die Mühe, die Wahrheit bzw. die ganze Wahrheit zu erzählen. Vielmehr werden Fakten gezielt verkürzt, um einer willkürlichen Forderung das Antlitz eines berechtigten Anliegens zu geben. So wird das von Nancy Faeser propagierte Verbot kriegswaffenähnlicher halbautomatischer Waffen mit dem Tötungsdelikt aus dem Kreis Rotenburg (Niedersachsen!) vom März 2024 begründet, bei dem eine solche Waffe verwendet worden war. Verschwiegen wird dabei jedoch, dass es vor dem Vierfachmord eine Gefährderansprache an den späteren Täter durch die Polizei gegeben hat, die zur Einziehung der von ihm legal besessenen Waffen hätte führen müssen. Das bestehende Waffengesetz bietet dafür alle Voraussetzung, doch die katastrophal schlechte digitale Vernetzung der Behörden hat verhindert, dass die vor Ort eingesetzten Polizisten von den Waffen wussten. Solche Missstände abzustellen, wäre die eigentliche Aufgabe der niedersächsischen Innenministerin. Doch statt hier konkrete Verbesserungen zu realisieren, wird dem generellen Verbot eines Waffentyps das Wort geredet. Es mag zynisch klingen, doch es muss darauf hingewiesen werden, dass der mutmaßliche Mörder auch eine halbautomatische Pistole legal besessen hat, die im Zuge der Gefährderansprache hätte eingezogen werden müssen. Das Verbot der „kriegswaffenähnlichen halbautomatischen Waffe“ hätte also wahrscheinlich kein einziges Leben gerettet – die so dringend notwendige konsequente Umsetzung des bestehenden Waffengesetzes, verbunden mit einer effizienten Vernetzung der zuständigen Behörden aber sehr wohl.

Wie wenig das Verbot von Tatwaffen zur Bekämpfung der damit begangenen Straftaten bewirkt, zeigt schließlich das Beispiel des zentralen Antragsthemas „Messerkriminalität“. Schon 2008 wurde das Waffenrecht in Bezug auf das Führen von Messern verschärft. So wurde zusätzlich zu den vorher schon bestehenden Verboten ein Führverbot für Einhandmesser und feststehende Messer mit einer Klingenlänge über zwölf Zentimeter verhängt. Was seinerzeit als Beitrag zu mehr Sicherheit und Rückgang der Messer-Kriminalität propagiert wurde, hat sich aber in den vergangenen Jahren als völlig unwirksames Mittel erwiesen. Die Messerkriminalität steigt und steigt, und viele der eingesetzten Tatwaffen dürften nach geltendem Waffengesetz gar nicht geführt werden. Diese dramatische Entwicklung zeigt einmal mehr, dass es Kriminellen, Extremisten und Psychopathen völlig egal ist, was im Waffengesetz steht.

Trauriges aktuelles Beispiel ist der brutale Mord an einem Polizisten in Mannheim, bei dem nach derzeitiger Informationslage ein feststehendes Messer mit einer Klingenlänge von weit über zwölf Zentimeter verwendet worden ist. Vor diesem Hintergrund wirken die Forderungen aus Hannover geradezu verstörend, denn wer angesichts dieser Tat und vieler weiterer ähnlicher Fälle auf dem Verbot von Springmessern und der Reduktion der Klingenlänge bei feststehenden Messern herumphilosophiert, hat das eigentliche Problem oder die Zeichen der Zeit nicht erkannt bzw. er will sie nicht erkennen. Wir brauchen keine weiteren Verbote, an die sich Neonazis, Salafisten, Islamisten, Kriminelle und Psychopathen sowieso nicht halten, sondern mehr und vor allem besser ausgerüstete Polizeibeamte, die dafür sorgen, dass solche Feinde unserer Gesellschaft, unserer Demokratie und unserer freiheitlichen Werte entwaffnet werden. Eine deutlich höhere Zahl an Beamten wäre dann vielleicht auch wenigstens annähernd in der Lage, das aus Niedersachsen geforderte Führverbot von Messern in Zügen und Fahrzeugen des öffentlichen Personenverkehrs zu kontrollieren. Das Verbot der Gegenstände allein wird schlicht gar nichts bringen.

Immerhin ein Funke Hoffnung scheint allerdings angesichts des letzten Punktes im niedersächsischen Antrag aufzuglimmen. Dort konstatieren die Autoren zu Recht, dass das derzeitige Waffengesetz sowie diverse Gerichtsurteile zu dessen Auslegung ein mittlerweile hochkomplexes Konstrukt darstellen, mit dem Waffenbehörden und Polizeien gleichermaßen zu kämpfen hätten und das selbst von Fachleuten kaum mehr zu überblicken sei. Doch leider erlischt der Funke so schnell wie er gekommen ist: Denn zuerst sollen nach dem Wunsch Niedersachsens Nancy Faesers Verschärfungen mit all den nutzlosen Gängelungen für Legalwaffenbesitzer Realität werden, bevor überhaupt über eine Vereinfachung nachgedacht wird. Hoffnung dahin, Stoßrichtung klar: Erst einmal willkürlich verschärfen, und dann einmal schauen…

Fazit und Ausblick: Der vorliegende Entschließungsantrag ist inhaltlich und hinsichtlich seiner Wirksamkeit für die Erhöhung der öffentlichen Sicherheit genauso am Thema vorbei wie das Ausgangspapier aus dem BMI. Umso mehr drängt sich der Verdacht auf, dass es sich hier weniger um einen tatsächlichen Beitrag zur Lösung der tatsächlichen Probleme handelt als vielmehr um einen machtpolitischen Schachzug, der das „Leuchtturmprojekt Waffengesetz“ der SPD-Parteikollegin Faeser befördern soll. Denn nachdem die Bundes-FDP völlig zu Recht standhaft bleibt, und dem Waffenrechts-Aktionismus innerhalb der Ampel-Koalition eine Absage erteilt, sucht die Bundesinnenministerin in den Ländern offensichtlich nach Verbündeten, die ihren Bestrebungen das Wort reden. So soll anscheinend in einer „Multi-Channel-Strategie“ der mediale und nun auch der politische Druck auf die Liberalen gezielt erhöht werden, sodass diese in den Augen der Öffentlichkeit als „Verhinderer von mehr Sicherheit“ oder gar als „Befürworter von Waffenkriminalität“ dastehen und schließlich innerhalb der Koalition umfallen.

Den Anfang machte der hessische Innenminister Roman Poseck (CDU), Mitglied des Wiesbadener Regierungskabinetts aus CDU und SPD, der sich in einem Phoenix-Interview hinter die Pläne von Nancy Faeser stellte, eine Verschärfung des Waffenrechts forderte und gleichzeitig die ablehnende Haltung der FDP kritisierte (Beitrag vom 30.04.2024). Diesem medialen „Aufschlag“, der nicht zuletzt in der Bundes-CDU entsprechende Wellen schlug, folgt nun der politische „Nachschlag“ aus Niedersachsen, der den aufmerksamen Beobachter allerdings nicht überrascht. Denn angesichts der bevorstehenden parlamentarischen Sommerpause und der dann folgenden Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen drängt die Zeit, um im Bundesrat noch eine Mehrheit für die Verschärfung des Waffenrechts zu erreichen und damit das berechtigte Veto der FDP auszuhebeln. Die niedersächsische Landesregierung hat darum gebeten, den Antrag auf die Tagesordnung der 1045. Sitzung des Bundesrates am 14. Juni zu setzen – ein Schelm, der Böses dabei denkt bzw. ein Narr, der die Taktik nicht durchschaut.

Jetzt kommt es darauf an, dass sich die CDU in den jeweiligen Landesregierungen, an denen sie beteiligt ist (Brandenburg, Baden-Württemberg, NRW, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt, Hessen und Berlin), klar zu ihrer parteipolitischen Grundhaltung bekennt, Rückgrat beweist und sich nicht zum Handlanger einer Pro-Faeser-Kampagne machen lässt. Denn dieser Entschließungsantrag trägt die Handschrift einer durchdachten SPD-Strategie, bei der die Stimmen von Bremen und Thüringen (SPD/Grüne/Linke), Niedersachsen und Hamburg (SPD/Grüne), Mecklenburg-Vorpommern (SPD/Linke) und dem Saarland (SPD) längst hinter den Kulissen gesichert sind. Wenn am Ende nämlich die Bundes-FDP und das von CSU und Freien Wählern regierte Bayern die letzte Bastion der Vernunft in Fragen des Waffenrechts und seines Vollzugs sind, haben sich die Christdemokraten ein schwer zu heilendes Armutszeugnis ausgestellt.

P. S.: Da der Koalitionsvertrag dem niedersächsischen Innenministerium offensichtlich nicht gänzlich bekannt ist, weisen wir noch einmal auf folgende Passage von Seite 86 hin:

Wir evaluieren die Waffenrechtsänderungen der vergangenen Jahre und gestalten bestehende Kontrollmöglichkeiten gemeinsam mit den Schützen- und Jagdverbänden sowie mit den Ländern effektiver aus.“

Der Bundesverband zivile Legalwaffen und seine Mitgliedsverbände sind nicht nur in der Lage, sondern auch jederzeit bereit, genau diesen Beschluss ernsthaft mit Leben zu füllen und gemeinsam mit der Politik an einer echten Waffenrechts-Optimierung zu arbeiten. Dann aber evaluieren wir kompetent, ehrlich und zielgerichtet und werden kein Feigenblatt für ein Verschärfungs-Placebo sein, sondern tragen dazu bei, ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das jeder versteht und das Freiheit und Sicherheit gleichermaßen dient.