Der breite Protest gegen die Waffenrechtsverschärfungen im Sicherheitspaket der Bundesregierung – allen voran auch die BZL-Petition mit nunmehr knapp 115.000 Unterschriften – hat dazu geführt, dass die Lesungen zum diesbezüglichen Gesetzentwurf verschoben wurden. Doch nicht nur das – auch die SPD sah sich plötzlich genötigt, nun erstmals das Gespräch mit den Verbänden zu diesem Thema zu suchen. Daher waren gestern Verbandsvertreter zu einer diesbezüglichen Videokonferenz mit Carmen Wegge, der waffenrechtlichen Berichterstatterin der Sozialdemokraten im Deutschen Bundestag, geladen.
Wer allerdings die Hoffnung auf ein ergebnisoffenes Gespräch mit einem konstruktiven Austausch von Sachargumenten gehofft hatte, wurde schnell eines Besseren belehrt. Nachdem sich alle Verbändevertreter nämlich einhellig dafür ausgesprochen hatten, den Artikel 5 in dieser Form aus dem Gesetzentwurf herauszunehmen und dies auch mit guten Argumenten zu begründen wussten, machte Carmen Wegge unmissverständlich klar, dass dies für die SPD nicht infrage käme. Die Begründung dafür allerdings ist der eigentliche Skandal und ein unfassbarer Offenbarungseid für das politische Kalkül der Sozialdemokraten und ihrer Innenministerin Nancy Faeser.
Wörtlich teilte man uns mit, dass die SPD ja seit zwei Jahren einen [Zitat] „tollen Entwurf“ zur [Zitat] „Verbesserung des Waffenrechts“ in der Schublade hätte, der aber immer von der FDP verhindert worden sei. Nun aber hätte sich im Rahmen des Sicherheitspakets die Chance ergeben, diesen Entwurf – oder wenigstens Teile daraus – über dieses Artikelgesetz zum Sicherheitspaket doch noch durchzusetzen. Und genau diese Chance habe man eben entsprechend genutzt.
Nach diesem einerseits unverblümt ehrlichen, andererseits aber ebenso schockierenden Intro der Gastgeberin hätte man sich jede weitere Sachdebatte eigentlich sparen können – deutlicher nämlich hätte die SPD nicht formulieren können, dass es ihr im Artikel 5 eben nicht um die Bekämpfung des islamistischen oder sonstigen Terrorismus, sondern um die Umsetzung des Prestigeobjekts Waffenrechtsverschärfung geht, und hier auch ganz gezielt um wesentlich striktere Regelungen für Legalwaffenbesitzer.
So verwunderte es auch nicht, dass die Folgediskussion zu einem Schattenboxen mutierte, bei dem die Verbände und Experten zwar immer wieder stichhaltige Gegenargumente vorbrachten, jedoch mit allen Kunstgriffen des politischen Vokabulars ausgependelt wurden. „Wir schreiben uns das gern einmal auf“, „wir nehmen diesen Punkt noch einmal mit“; „das werden wir noch einmal im BMI vorbringen“, um nur einige der vielsagend nichtssagenden Entgegnungen zu zitieren. Highlight allerdings war die Aussage in der Diskussion um fehlende Daten und Fakten zur Deliktrelevanz von Springmessern, dass auch die SPD-Fraktion hierzu noch einige Fragen an das BMI habe. Dazu muss man wissen, dass der gesamte Gesetzesentwurf inkl. Artikel 5 als Fraktionsvorschlag der SPD in den Bundestag eingebracht wurde. Da ist es schon bemerkenswert, wenn man zum eigenen Vorschlag jemand anderen noch einmal befragen möchte.
Doch damit nicht genug der machtpolitischen Spielchen. Denn nach der „Pflicht“ der geschickten Ausweichmanöver zum eigentlichen Thema, ging die SPD zur „Kür“ über und versuchte die Verbandsvertreter offen und unverblümt zu korrumpieren und so zu willfährigen Komplizen für ihren Coup zu machen. Konkret wurde den Verbänden nämlich angeboten, dass sie – fernab des Sicherheitspakets – gern noch zusätzliche Verbesserungswünsche für das Waffenrecht schriftlich einreichen könnten. Man würde dann wohlwollend sehen, was sich noch machen ließe.
An dieser Stelle darf jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass es die FDP in ähnlichen Gesprächen mit dem gleichen Trick versucht hat und somit hier keinen Deut besser ist als die SPD. Auch die Liberalen unterbreiteten nämlich ganz offen „unmoralische Angebote“, was man für den einen oder anderen Verband noch in das Paket hineinverhandeln könnte, damit sich dies bei dessen Mitgliedern als Erfolg verkaufen ließe.
An dieser Stelle sei festgehalten, dass sich der BZL von niemandem korrumpieren lässt und klar zu seiner Position steht, dass all diese Verschärfungen nichts in diesem Gesetzentwurf zu suchen haben. Wenn SPD und FDP also glauben, uns zu politisch käuflichen Steigbügelhaltern degradieren zu können, haben sie sich getäuscht. Mit derartigen Taschenspielertricks lassen wir uns nicht ködern.
Die Moral von der Geschicht? Die Ampel kennt in dieser Frage offensichtlich keine Moral. Oder vielleicht doch? Denn spätestens jetzt liegt der Beweis auf dem Tisch, dass die FDP von der SPD nach allen Regeln der Kunst über den Tisch gezogen worden ist. Vielleicht ringen sich Christian Lindner und die Seinen angesichts dieser offenen Demütigung nun endlich dazu durch, den letzten Funken liberaler Ehre zu entfachen und die Reißleine zu ziehen. Denn es besteht kein Zweifel: Wir brauchen in diesem Land wirkungsvolle Regelungen und Maßnahmen gegen Messer-Terrorismus und ausufernde Gewaltkriminalität. Was wir aber nicht brauchen, ist ein Placebo-Gesetz, das dazu keinen Jota beiträgt und erst recht keine Regierungskoalition, die machtpolitische Spielchen vor sachpolitisches Verantwortungsbewusstsein stellt und diesen Placebo wider besseren Wissens durchboxt.