Gewerkschaft der Polizei wirbt für Waffenrechtsverschärfung und Messer-Amnestie

Zweifelhafter Weg zum richtigen Ziel.

In einem offenen Brief an Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann sowie in einem ausführlichen Statement auf ihrer Homepage fordert die Gewerkschaft der Polizei (GdP) nicht nur die Realisierung der von Nancy Faeser geplanten Verschärfung des Waffengesetzes, sondern auch wirksame Maßnahmen, um der Verbreitung von Messern entgegenzuwirken. Wörtlich schreibt der Vorsitzende der GdP, Jochen Kopelke, an den Bundesjustizminister: „Besonders besorgniserregend ist die Tatsache, dass Messer und andere gefährliche Gegenstände in unserer Gesellschaft weit verbreitet sind. Zu viele dieser Gefahrenquellen befinden sich im Umlauf, können leicht zur Begehung von Straftaten verwendet werden und stellen somit eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar. Es ist dringend notwendig, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um der Verbreitung von Messern entgegenzuwirken. In diesem Zusammenhang sollten wir ernsthaft über eine wirksame Amnestieregelung für Messer nachdenken.“

Was mit diesen Amnestieregelungen gemeint ist, konkretisiert die GdP auf Ihrer Homepage unter der Headline „Netflix für Dein Butterfly“. Dahinter verbirgt sich die Idee, Amnestieprogramme für verbotene Messer einzuführen, bei denen die Besitzer durch monetäre bzw. materielle Anreize motiviert werden sollen, die betreffenden Gegenstände straffrei abzugeben.

Kritik äußert Kopelke auch am aktuellen Waffenrecht, das er in Bezug auf Messer und andere gefährliche Gegenstände für zu komplex und schwer verständlich erachtet. Die Polizeibeamten, die täglich mit der Umsetzung dieser Bestimmungen befasst seien, würden daher immer wieder auf Schwierigkeiten stoßen. Vor diesem Hintergrund sei, so Kopelke, eine vereinfachende Anpassung des Waffenrechts, wie sie auch politische Verantwortliche auf Länderebene fordern würden, dringend angezeigt. Mit der „Länderebene“ zielt die GdP auf den Entschließungsantrag des Bundesrates in dem nicht nur weitere Verschärfungen in Bezug auf Führverbote für Messer sowie die Ausweitung von Messerverbotszonen gefordert wurden, sondern auch die zügige Novellierung des Waffengesetzes.

Auch die Hersteller sowie die Interessenvertretungen der Legalwaffenbesitzer nimmt GDP-Chef Kopelke ins Visier. Wörtlich sagt er: „Hersteller und Waffenverbände wollen nicht, dass sich bei der Einfuhr und im Verkauf, analog oder online, etwas ändert. Politische Rücksichtnahme braucht angesichts der Tatentwicklungen und des damit verbundenen Leids und der Trauer niemand.“

Aktueller Anlass für das Forderungspaket des GdP-Chefs ist nach seinen eigenen Aussagen die Messerattacke in Stuttgart, bei der ein 17-jähriger Syrer drei Menschen schwer verletzt haben soll. Doch dass ausgerechnet dieses erschütternde Ereignis, das sich in eine ganze Serie unerträglicher Messerattacken einreiht, den Gewerkschaftschef nun zu seiner Kritik am Waffengesetz sowie an Herstellern, Händlern und Interessenvertretern motiviert, um schließlich für Amnestie-Programme zu werben, macht nachdenklich. Denn aus den bisherigen Stellungnahmen der Ermittlungsbehörden geht hervor, dass der Tatverdächtige mehrere Dutzend Vorstrafen angehäuft hatte, unter anderem wegen schwerem Ladendiebstahl sowie einfacher und schwerer Körperverletzung.

Bei allem Verständnis für das völlig berechtigte Anliegen der Polizei, durch klare Regelungen und ein starkes Mandat der Messerkriminalität entgegenzutreten, muss die Frage erlaubt sein, ob wir ernsthaft glauben, einen Menschen mit derart krimineller Energie und anhaltender Ignoranz gegenüber Recht und Gesetz durch noch schärfere Regelungen zu Messer-Führverboten oder gar durch das Angebot eines Netflix-Abos entwaffnen und zu einem friedlichen Teil unserer Gesellschaft machen zu können. Angesichts dieser Tat und weiterer Vorkommnisse, bei denen polizeibekannte Serien-Straftäter schließlich Gewalttaten mit Messern verübt haben, lassen sich solche Initiativen der Gesellschaft nur sehr schwer vermitteln. Vielmehr stellen sich die Menschen die Frage, warum solche „Berufs-Kriminelle“ auf freiem Fuß sind bzw. überhaupt Waffen – also auch Messer – mit sich führen dürfen.

Nicht unerwähnt darf auch bleiben, dass der Amnestie-Vorschlag „Netflix für Dein Butterfly“ einem Eingeständnis gleichkommt, dass die bereits im Waffengesetz verankerten Messerverbote offensichtlich auch aus Sicht der GdP nicht die gewünschte Wirkung zeigen. So ist der Umgang mit Butterfly-Messern z. B. bereits seit 2002 gesetzlich verboten. Was also würde es nützen, weitere Messertypen zu verbieten, um dann nach dem Scheitern der Maßnahme mit neuen Amnestie-Anreizen auf die Straftäter zuzugehen?

Gerade weil dies also nicht der richtige Weg zu sein scheint, hat der BZL bereits Ende Juni konkret vorgeschlagen, das Instrument der individuellen Waffenverbote weit stärker als bisher zu nutzen. So muss dringend darüber nachgedacht werden, Personen, die wegen Gewaltdelikten vorbestraft sind, mit einem individuellen Waffenverbot zu belegen, das sich auf alle Arten von Waffen – also auch frei erhältliche, wie z. B. Messer – erstreckt. Ein solches generelles Waffenverbot ist unmissverständlich und somit auch – wie von Jochen Kopelke gefordert – leicht zu kontrollieren, was angesichts der viel zu dünnen Personaldecke unserer Polizei für mehr Effizienz im Vollzug sorgen würde.

Die angespannte Personalsituation der Polizei bestätigt auch der GdP-Chef, wenn er im Intro seines Homepage-Artikels konstatiert: „Die Menschen verlangen mehr Kontrollen durch die Polizei, das Personal dafür reicht jedoch nicht aus. Zudem steigt die Gefahr für die Einsatzkräfte im Kontext polizeilicher Maßnahmen, von Tätern mit Messern attackiert zu werden. Die Polizistinnen und Polizisten fühlen sich verheizt.“

Bei aller Zurückhaltung gegenüber den konkreten Forderungen der GdP müssen wir einen solchen Hilferuf der Polizei sehr ernst nehmen. Es kann und darf nicht sein, dass sich die Exekutive zunehmend hilflos einem immer gewalttätigeren Milieu gegenübersieht, in dessen krimineller Parallelgesellschaft Gesetze und Verbote nicht existieren. Genau deshalb steht aber zu bezweifeln, dass eine Verschärfung dieser Gesetze dort plötzlich auf Aufmerksamkeit oder gar Akzeptanz stoßen würde. Und auch, wenn es die Väter der Amnestie-Idee nicht gern hören werden: Wer ein Messer oder andere Waffen mit sich führt, um zu drohen, zu rauben, zu verletzen oder zu töten, wird sich das Netflix-Abo für sein Butterfly gerne abholen, um dann mit seinem Springmesser genau da weiterzumachen, wo er mit dem Faltmesser aufgehört hat.

Der BZL steht klar und unmissverständlich für eine weit konsequentere Bekämpfung der Messerkriminalität und ebenso klar an der Seite der Polizei. So einig man sich also im Ziel ist, so sehr gilt es aber nun, gemeinsam über den Weg dorthin zu diskutieren. Denn aus Sicht des BZL haben wir kein Tatmittelproblem, sondern ein Täterproblem, welches dringend adressiert und gelöst werden muss. Es steht zu bezweifeln, dass ich die Polizistinnen und Polizisten deshalb „verheizt“ fühlen, weil Messer in unserer Gesellschaft weit verbreitet sind. Nein, das Problem liegt in einer mangelnden Handhabe gegenüber Personen und Personengruppen, die weder unsere Gesetze noch das Gewaltmonopol des Staates und somit die Polizei respektieren.

Das Rezept muss daher lauten: „Strikte Waffenverbote für polizeilich bekannte potenzielle Täter, konsequente Kontrolle dieser Verbote und dazu eine spürbare personelle Verstärkung von Polizei und Ordnungsbehörden. Wenn es dann noch gelingt, überführte Straftäter schnell abzuurteilen und nicht bis zu einer erst Monate später anberaumten Verhandlung wieder auf freien Fuß setzen zu müssen, ist der öffentlichen Sicherheit mehr gedient als durch Messerverbote für jedermann und Netflix-Abos für Straßen-Kriminelle.

Die Vertreter des Legalwaffenbesitzes stehen jederzeit zu Gesprächen mit der GdP zur Verfügung. Denn unser aller Ziel muss es sein, genau diejenigen zu entwaffnen, die tatsächlich eine Gefahr für unsere Sicherheit und unser Gemeinwohl darstellen.

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